Vor einiger Zeit habe ich mich gefragt, was eigentlich die Kernkompetenz eines guten Coaches ausmacht. Mitten in dem Prozess des Nachdenkens über diese Frage wurde ich inspiriert von einem Predigttext, der die Frage nach dem höchsten Gebot stellte. Eröffnet wurde die Predigt mit folgendem Bibelzitat:
Und es trat zu ihm einer der Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen? Jesus antwortete: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft«. Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«. Es ist kein anderes Gebot größer als diese. (Markusevangelium 12,28-31)
Jeder hat seine eigene Haltung zu dieser Religion und zu anderen Glaubensrichtungen. Es wäre nicht angemessen, diese Textsammlungen als bloße Märchen zu diskreditieren. Die Schriften der großen Glaubensgemeinschaften sind in den Worten von Jordan Peterson (12 Rules for Life – An Antidot to Chaos, lesenswert!) unbestritten eine große Quelle und Zeugnis des über Jahrtausende von unseren Ahnen validierten Wissens. Und so ist es wichtig, diese Schriften sehr genau zu lesen und mit einem aufgeklärten Geist zu hinterfragen.
Die Frage nach dem höchsten Gebot ist damals für den Schriftgelehrten und auch heute noch von tiefgreifender Bedeutung. Eine Antwort würde vieles im Leben erleichtern und Orientierung geben. Was ist das Wichtigste, worauf kommt es also an? Begabungen ausleben? Spuren im Leben hinterlassen? Für andere eintreten? Etwas sinnvolles tun? Für die Umwelt eintreten? Die Familie schützen? Und was ist es für einen Coach? Offen für alles sein, ein guter Ratgeber sein (bestimmt nicht!), alles in ein rosa Licht stellen?
Mit Blick auf die angeführte Bibelstelle könnte man im ersten Anlauf versucht sein, die Einleitung nur als Imperativ zu verstehen und sich in der Reflexion auf die Aufforderung, Gott zu lieben, konzentrieren. Doch schon dem ersten Wort der Antwort von Jesus kommt eine entscheidende Bedeutung zu:
Das erste Wort des höchsten Gebots heißt nicht „Glaube!“ Es heißt auch nicht „Tue dies oder das“ oder „Lern dieses oder jenes“. Das höchste Gebot beginnt mit „Höre“!
Hören kann in der deutschen Sprachen vielfältig gedacht werden: Zunächst einmal ist es eine faszinierende Sinneswahrnehmung. Entscheidend ist aber das, was häufig mit dem Verb hören assoziiert wird: zuhören, hinhören, über etwas hinweg hören, und auch auf jemanden hören.
Höre! Das gilt für die Begegnung mit Dir selbst. Höre auf Deine innere Stimme. Und es gilt für die Begegnung mit Deinen Mitmenschen und für einen guten Coach ganz besonders. Höre, was sie oder er zu sagen hat.
Und hier kommen wir zu der Schlüsselkompetenz des Coaches. Manchmal sind einzelnen Stimmen so laut und sie sprechen wild durcheinander oder für Dich unverständlich.
Wenn wir aus dem inneren Stimmenwirrwarr die entscheidende Stimme nicht heraushören können, dann fällt es uns unter Umständen schwer, das zweitwichtigste Gebot der o.a. Bibelstelle zu befolgen: Liebe Deinen Nächsten, wie Dich selbst!
Manchmal suggeriert eine innere Stimme, dass es nicht ok ist, sich selbst zu lieben. Sie kann es in einer fast schon dogmatischen Vehemenz tun, dass die Stimme der Selbstliebe gar nicht mehr zu Gehör kommt. Ist dies der Fall, wird es herausfordernd: wie soll ich meine Nächsten lieben können, wenn ich mich selbst nicht lieben kann oder darf? Die Welt ist bunt. Es geht um die Lust, auch im Geiste die Pluralität der inneren Stimmen auszuhalten und die Standpunkte zu verhandeln. Aber nicht oberflächlich und mit Dominanz. Überzeugende Argumente sind wichtig.
Um dies zu gewährleisten und um aus dieser Falle zu entkommen, ist genaues Hinhören gefragt. Höre, was die inneren wie äußeren Stimmen zu sagen haben, wie es ihnen geht, was ihnen das Herz schwer macht. Höre alle Stimme bzw. Seiten. Misstraue bloßen Behauptungen und Zuschreibungen und höre auch die andere Seite. Dann klappt es auch auch mit der Selbstliebe.
Ein Coaching kann hier sehr wertvolle Dienste leisten. Der Coach ist dabei in seiner für mich zentralen Kompetenz gefragt, dem Zuhören und wichtiger noch, er hört genau hin. Welche Stimmen melden sich wie zu Wort? Findet Kommunikation nur verbal statt oder äußern sich innere Anteile auch anders, z.B. in körpersprachlichen Signalen oder Krankheitssymptomen? Gibt es Sprach- oder Verhaltensmuster? Sind oder waren diese Muster gut oder sind sie kontraproduktiv?
Ein guter Coaches begleitet den inneren Dialog unvoreingenommen und lässt alle Stimmen zu Wort kommen. Das Repertoire des Coaches ist dabei vielfältig. Manchmal offenbart das gesprochene Wort den inneren Zwist, manchmal führt eine Trance während eines Hypno-Coachings zu Stimmen im Hintergrund. Vielleicht ist eine Aufstellung ein gutes Werkzeug, um mit inneren Anteilen in Kontakt zu kommen. Welcher Weg der richtige ist kann im Vorwege nicht pauschal beantwortet werden. Entscheidend ist das hinhören im Prozess. Hören Sie auf Ihre innere Stimme. Wenn Sie das Gefühl haben, dass eine Stimme dominiert, kann ein Coaching eine gute Idee sein, um Sie darin zu unterstützen, genau hinhören zu können, andere Stimmen zu Wort kommen zu lassen und bisher nicht gehörte Sichtweisen zu erkennen, anzunehmen und konstruktiv mit ihnen zu arbeiten.
In unserer Vielfältigkeit sind wir voller Schätze. Und genauso sind es unsere Nächsten. Wir dürfen nicht der Versuchung erliegen, diese Vielfältigkeit der inneren Stimmen oder unserer Mitmenschen auf Stereotype zu reduzieren (Schublade auf und zu und gut).Die Selbst- und Nächstenliebe will Weite, Farben und Herz, persönlich im Inneren wie im Außen.
Ich lade Sie ein, mich in meiner Kernkompetenz zu testen. Ein Telefonat ist ein erster Schritt. Gern rufe ich Sie an. Schicken Sie mir hierzu bitte Ihre Kontaktdaten und nennen mir einen guten Zeitpunkt. Sie können auch die Kalenderfunktion im Kontakformular nutzen.
Ich bin ganz Ohr und freue mich auf Sie!
Mein Dank gilt Bernd Müller-Teichert, der mir sein Predigtmanuskript für diesen Blogbeitrag zur Verfügung gestellt! Zum Zeitpunkt der Predigt war er als Pastor an der ev.lt. Christ-König-Kirche in Hamburg-Lokstedt tätig.